11 Mythen, die deine SelbstHeilung sabotieren - wenn du sie glaubst

Seit ich mich der TraumaHeilung widme, habe ich begonnen, vieles zu hinterfragen was ich selbst für lange Zeit einmal geglaubt habe. Beim genaueren Hinschauen, ist mir bewusst geworden, dass ich die meisten Glaubenssätzen, um die es sich dabei handelte, einfach übernommen hatte - ohne sie tiefer zu beleuchten - und diesen erlaubte, sich als "Wahrheit" in mir festzusetzen.
Fast alle diese Glaubenssätze stammen aus der spirituelle Szene. Es sind auf den ersten Blick wohlklingende Weisheiten, die bei genauerem Hinsehen eher Halbwahrheiten sind, die mehr Druck machen als befreien und - im schlimmsten Fall - den Menschen auf seinem Weg der SelbstHeilung ganz subtil blockieren und gar in einer Endlosschleife der Lösungssuche halten. Fast könnte man vermuten, dies sei das eigentliche Ziel …
Diese Halbweisheiten sehe ich mittlerweile als Mythen an, die uns nicht nur vom Heilen abhalten sondern auch von einem echten Kontakt mit uns selbst.
Mit diesem kurzen Beitrag möchte ich mit diesen Mythen aufräumen, weil mir dies essentiell erscheint für unsere Reise der SelbstHeilung. Dabei ist es mir wichtig, deutlich zu machen, dass ich hier nicht nur von der Heilung von Trauma spreche. Der gleiche Prozess gilt für Glaubenssätze, tiefe Prägungen und alte Überzeugungen, bzw. Konditionierungen des Systems, in dem wir leben. Sie alle sitzen nicht im Verstand – sondern im Unterbewusstsein, was 95% unseres Gesamtbewusstseins ausmacht. Sie wirken in uns, ohne dass wir uns dessen gewahr sind, und um sie zu entmachten brauchen sie alle den gleichen Prozess: Wahrnehmen. Würdigen. Wandeln.
1. Mythos: "Die Zeit heilt alle Wunden."
👉 Zeit heilt gar nix.
Alles, was wir im Moment des Erlebens (oder in der Zeit danach) nicht verarbeiten können, packt der Körper in unsere Faszien und Zellen, und dort bleiben es bis dem Körper die Last zu viel wird oder ein ähnliches Event im Außen ihn triggert. Erst wenn wir uns in Beziehung mit dem Körper begeben und uns selbst zuwenden wird Heilung möglich. Zeit heilt nichts, denn vergisst nicht - kann er nicht, weil das Nervensystem sich immer im Hier und Jetzt befindet und auch so reagiert.
2. Mythos: "Du musst vergeben, um heilen zu können."
👉 Vergebung ist kein Muss.
In meiner Erfahrung ist es so, dass Vergebung ein natürlicher Teil von Heilung sein kann, wenn wir beginnen, uns selbst zuzuwenden und dadurch in den Frieden kommen mit allem was ist. Dann wird das, was uns einst geschadet, missbraucht, verletzt hat, neutral, verliert an Ladung, weil Emotionen verstoffwechselt wurden und der Körper nun Sicherheit hat.
Erzwungene Vergebung, die als Pflichtübung durchgeführt wird, kann niemals echt sein, weil die natürliche Bereitschaft dazu nicht gegeben ist. Vergebung ist kein Ziel, sondern meistens ein natürliches Nebenprodukt von Integration. Der Druck, vergeben zu müssen, kann jedoch massiv die Heilung blockieren, weil er dem Nervensystem das Signal sendet: "Wir können nicht heilen, solange das nicht geschehen ist" und das ist dann auch genau, was geschehen wird.
3. Mythos: "Du musst nur loslassen."
👉 Loslassen geschieht, wenn der Körper sich sicher fühlt.
"Loslassen" wird oft verlangt wie ein Befehl. Doch ein dysreguliertes Nervensystem hält fest – nicht aus Trotz, sondern aus Selbstschutz. Der Körper kann Trauma, bzw. alte Emotionen nur dann "loslassen" wenn er erfährt: Ich bin jetzt sicher. Nicht früher. Nicht, wenn der Kopf es will oder der Therapeut es sagt - schon gar nicht unter Zwang.
Das, was wir vermeintlich loslassen wollen sitzt in Faszien und Zellen - und ist in unser Unterbewusstsein eingraviert, und letzteres kann nun mal nicht über den Geist - und schon gar nicht über den Verstand - angesteuert werden.
4. Mythos: "Du musst einfach deine Geschichte neu schreiben."
👉 Heilung ist (nicht) nur ein mentaler Akt.
Die Erzählung zu verändern kann hilfreich sein und hat auch seinen Platz im Prozess der Heilung – aber die tiefste Prägung sitzt im Körper, nicht im Kopf. Beginnen wir damit, eine neue Geschichte von unserem Leben zu erzählen und, wie viele SelbstHilfe Gurus das proklamieren, die alte Geschichte mit einer neuen zu überschreiben, dann reagiert das Nervensystem darauf indem es die Unwahrheit erkennt - und Unwahrheit bedeutet immer innerer Konflikt und Gefahr.
Viele haben sich und der Welt neue Geschichten erzählt – aber reagieren noch immer wie früher und wundern sich dann, warum sich nichts ändert. Heilung beginnt im Körper, der Kopf kommt hinterher.
5. Mythos: "Die richtige Ernährung ist alles."
👉 Gute Ernährung ist wichtig – aber reicht nicht.
Gesunde Ernährung kann den Körper nähren und stabilisieren. Doch Heilung braucht Regulierung, Nervensystempflege, emotionale Sicherheit und ein großes Maß an Nährstoffen, die wir in der Menge in unserer heutigen Nahrung gar nicht mehr vorfinden. Doch Vorsicht: Gewisse Supplements sind wichtig und können uns enorm unterstützen, doch kein Supplement und kein Superfood heilt ein gebrochenes Herz oder ein hyperaktives Stresssystem.
Ebensolches gilt für harte Maßnahmen wie Entgiften, Fasten oder intermittierendes Fasten. Ein gestresstes Körpersystem erfährt manchmal das Zurückhalten von Nahrung als Bedrohung und Existenzgefährdung.
6. Mythos: "Positive Gedanken heilen alles."
👉 Licht heilt nur, wenn es den Schatten nicht ausschließt.
Positives Denken ist hilfreich – aber nicht, wenn es Gefühle überdeckt. Heilung heißt nicht, nur noch Licht zuzulassen. Es heißt, dem ganzen Inneren Raum zu geben. Und besonders in der TraumaArbeit beginnt echte Heilung mit dem Mut, Schmerz überhaupt zuzulassen - und so zu lernen, dass das Fühlen des Schmerzes keine existenzielle Bedrohung darstellen muss. Mit positiven Affirmationen hat sich noch niemand aus dem Überlebensmodus geholt! Im Gegenteil, das Nervensystem erkennt die Lüge dahinter, wenn die Affirmation etwas überschreiben soll, was aber de fakto gerade anders ist - und es reagiert entsprechend. Nämlich mit Stress.
7. Mythos: "Du musst deinen Körper meistern."
👉 Nicht meistern – befreunden.
Der Körper ist kein zu kontrollierendes Objekt, sondern ein fühlendes, lebendiges Wesen. "Mastery" suggeriert Dominanz – was viele Körper noch mehr in Widerstand bringt, weil es für das Nervensystem altes Trauma abruft. Heilung entsteht durch Beziehung, Kooperation, Vertrauen. Durch liebevolle Zugewandtheit, und nicht durch Kontrolle.
8. Mythos: "Der Körper ist wie ein Auto, das man warten muss."
👉 Der Körper ist keine Maschine sondern eine lebendige Wesenheit.
Der Vergleich mit einem Auto reduziert uns auf mechanische Vorgänge ohne organisches Leben. Doch Körper sind fühlend, erinnernd, lebendig. Sie reagieren auf Liebe, Berührung, Blicke, Worte. Wir sind nicht aus Einzelteilen gebaut sondern aus Leben gemacht. Und aus der Seele, die in uns verankert ist - und zwar in ihrer ganzen Präsenz, solange der VagusNerv intakt ist.
9. Mythos: "Es liegt alles an dir."
👉 Heilung ist ein Beziehungsakt.
Selbstverantwortung ist wichtig – ja. Aber Heilung ist kein Solo-Projekt. Wir brauchen andere Nervensysteme, Resonanz, Co-Regulation. Das Nervensystem heilt durch Beziehung, nicht durch einsame Anstrengung. Und dabei ist die Sicherheit, die eine mitfühlende und verständnisvolle Gemeinschaft gewährt ein wichtiger Faktor.
10. Mythos: "Heilung geschieht da, wo du verletzt wurdest."
👉 Du musst nicht am Ort der Wunde bleiben, um sie zu heilen.
Oft wird gesagt "Du musst zurück an den Ursprung gehen, um zu heilen." Das stimmt nur bedingt und betrifft vielleicht den emotionalen Vorgang, aber sicher nicht das Umfeld oder die Situation. Selbst Buddha sagte schon, dass wir nicht heilen können an dem Ort, wo die Verwundung stattgefunden hat. Dort kann es zur Re-Traumatisierung kommen. Manchmal braucht es radikalen Selbstschutz, sich zu distanzieren – räumlich, emotional oder energetisch. Manche Wunden heilen nicht, weil die Luft um sie herum immer noch vergiftet ist.
Auch gesellschaftlich gilt das:
Wir können nur schwer vollständig heilen innerhalb eines Systems, das von Trennung, Druck und Leistung geprägt ist. Manchmal braucht Heilung ein eigenes Feld – jenseits der Matrix. Jenseits von "zurückgehen". Jenseits von "noch einmal durch".
11. Mythos: "Im Opferbewusstsein kann man nicht heilen."
👉 Heilung beginnt mit der Anerkennung: Ich war ein Opfer.
Die spirituelle Szene hat die Rolle des Opfers gleichgesetzt mit einem Mangel an Selbstverantwortung, was falscher nicht sein könnte. Der Weg der Heilung beginnt nicht mit "Stärke zeigen" sondern damit, anzuerkennen, dass man Opfer war – und das zu benennen ist kein Zeichen von Schwäche, sondern der erste Schritt die eigene Würde wieder zurück zu erlange. Heilung entsteht nicht durch Verleugnung, sondern durch Anerkennung.
Nur so entsteht Mitgefühl für den verwundeten Anteil in uns "Kein Wunder, dass ich so fühle. Kein Wunder, dass ich Schutz brauchte". Wer sich aufrichtig als Opfer sieht – erfährt die Kraft, sich irgendwann auch selbst befreien. So wird die Selbstliebe geboren - die einzige Medizin, die uns letztlich heilt.
Fazit: New Age "Weisheiten" haben mit Heilung wenig zu tun
Viele sogenannte "Weisheiten" aus der New Age- oder "Licht-und-Liebe"-Szene folgen tatsächlich Mechanismen, die man aus verdecktem Narzissmus kennt:
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Sie invalidieren echte Emotionen (z. B. durch toxischen Positivismus: "Denk einfach positiv.")
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Sie fordern Leistung oder Disziplin unter spirituellem Vorwand ("Du musst loslassen, vergeben, heilen – sonst…")
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Sie verschieben Verantwortung einseitig auf das Individuum, unabhängig vom Kontext oder Trauma ("Es liegt alles an dir.")
Diese Aussagen tun oft so, als wären sie liebevoll und bewusst – sind aber hochgradig kontrollierend, manipulativ oder gaslightend. Genau wie bei verdecktem Narzissmus: nach außen weich und lichtvoll, innen subtil kontrollierend und entwertend.
Solche Denkweisen tragen nicht zu innerem Frieden, sondern eher zu subtiler Selbstverleugnung bei. Sie sind oft Gedanken in schönem Gewand – freundlich formuliert, aber in ihrer Wirkung entwertend, fordernd und grenzüberschreitend.
Sie hinterlassen im Betroffenen auf subtile Weise ein Gefühl von Unzulänglichkeit, Scham und Schuld - aus meiner Sicht die geheimen Kontrollmechanismen, der sich die New Age Gemeinde bedient. Sie ignorieren Schmerz und werten ihn ab, sie fordern zur Verantowortung auf, wo keine ist und ihnen fehlt jeglicher Raum für wahres Mitgefühl und Liebe. Und dabei übergehen sie vollkommen die Rolle des Nervensystems und der Seele im Betroffenen.
Im Grunde fordern sie uns auf, uns permanent selbst zu belügen und reissen immer wieder die alte Wunde auf, und all das vor dem Hintergrund der weisen Hilfestellung. Nichts davon ist wahr, denn echte Heilung beginnt immer durch echte Selbstbeziehung und radikale Ehrlichkeit uns selbst gegenüber - der Anerkennung dessen, was uns geschehen ist, woraus Mitgefühl und SelbstLiebe entstehen.
Heilung heißt nicht: funktionieren. Heilung heißt: fühlen dürfen.
Indem ich dies so deutlich anspreche und die Denkweisen der New Age Szene mit verdecktem Narzissmus vergleiche möchte ich eines klarstellen: Wenn uns diese "Weisheiten" an der Oberfläche als stimmig oder gar logisch erscheinen, dann bedeutet dies nicht, dass sie wahr sind.
Es bedeutet lediglich, dass unser Denken über Jahrzehnte hinweg so tiefgreifend mit diesen Inhalten konditioniert wurde, dass es uns schwer fällt, sie zu entlarven. Wie mit allem, was "unLicht" oder "falsches Licht" ist in dem System, in dem wir leben, sind auch ein großer Anteil Wahrheit darin verborgen (ca. 80%) und die Lüge darin ist geschickt getarnt.
Sich von diesen Denkinhalten zu befreien ist gar nicht so einfach, doch er ist essentiell wichtig und absolut notwendig, wenn wir uns befreien wollen - von Trauma, alten Prägungen und nicht mehr authentischen Identitäten.
Heilung beginnt dort, wenn wir aufhören, unsere Macht an Mindfuck abzugeben – und damit beginnen, uns selbst zu glauben.