AutoImmunerkrankungen im Kontext von Trauma & chronischem Stress verstehen

Autoimmunerkrankungen gelten in der Schulmedizin als chronische Krankheiten, bei denen das Immunsystem körpereigenes Gewebe angreift. In der TraumaArbeit war eine Aussage von Dr. Gabor Mate in einem Interview eine der ersten Botschaften, die mich vom Hocker rissen ...
80% aller AutoImmunerkrankungen können auf Trauma zurückgeführt werden. Wiederum 80% davon werden in Frauen diagnostiziert.
Im letzten Jahr habe ich schon einige Male darüber geschrieben, meist mit Fokus auf das Trauma selbst und die Frage, warum Frauen so viel häufiger davon betroffen sind, als Männer. Deshalb möchte ich in diesem Beitrag beleuchten, wie frühe Traumata, emotionale Belastungen und chronische Stresszustände das Immunsystem fehlkalibrieren – und warum wahre Heilung nicht mit der Bekämpfung von Symptomen beginnt, sondern mit der Wiederherstellung innerer Sicherheit.
🔍 Was sind Autoimmunerkrankungen wirklich?
Laut WHO sind weltweit hunderte Millionen Menschen von Autoimmunerkrankungen betroffen. Dazu zählen unter anderem:
Rheumatoide Arthritis
Lupus erythematodes
Multiple Sklerose
Typ-1-Diabetes
Morbus Crohn & Colitis ulcerosa
Psoriasis (Schuppenflechte)
Zöliakie
Die medizinische Definition lautet: Das Immunsystem richtet sich gegen körpereigenes Gewebe und verursacht Entzündungen und Gewebeschäden. Aus ganzheitlicher Sicht könnte man die Frage stellen:
Warum sollte ein so intelligentes System wie das menschliche sich gegen den eigenen Körper wenden?
Die Antwort liegt oft nicht im Blutbild – sondern in der Biografie.
🌀 Trauma, Stress und das Nervensystem
Moderne Neurobiologie (v.a. die Polyvagal-Theorie von Stephen Porges) zeigt, dass chronischer Stress und frühe Traumatisierung die Grundregulation des Nervensystems beeinflussen. Wer z.B. in früher Kindheit:
emotionale Kälte
Missbrauch oder Vernachlässigung
Überforderung ohne Halt
chronische Angst oder Leistungsdruck
erlebt hat, entwickelt oft ein Nervensystem, das dauerhaft im Alarmzustand verharrt. Dieses System signalisiert dem Immunsystem: "Wir sind hier nicht sicher. Bereite dich auf Kampf oder Flucht vor." Wenn beides keine Option ist, was in der Kindheit fast ausschließlich der Fall ist, dann bleibt das Nervensystem im Überlebensmodus hängen (Freeze / Functional Freeze). Im Zustand von Freeze funktionieren wir im Außen noch relativ gut (zumindest hat es so den Anschein), doch unter der Haube brodelt es ganz gewaltig.
🔥 Die Psychoneuroimmunologie: Wissenschaftliche Brücke
Die Psychoneuroimmunologie (PNI) ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld, das die Wechselwirkungen zwischen Psyche, Nerven- und Immunsystem untersucht. Studien zeigen:
Früher Stress erhöht die Entzündungsbereitschaft (Miller et al., 2011)
Chronischer Stress beeinflusst Immunzellfunktionen und Zytokinausschüttung (Dhabhar, 2009)
Traumatisierte Kinder zeigen erhöhte Autoantikörper-Werte im Erwachsenenalter (Danese et al., 2007)
Autoimmunreaktionen sind demzufolge keine Fehlleistung, sondern ein biologischer Ausdruck chronischer Überforderung.
⚔️ Warum der Körper "sich selbst" angreift
Autoimmunität ist oft ein Ausdruck von Identitätskonflikt und Selbstunterdrückung. Das Immunsystem spiegelt das, was psychisch nicht integriert wurde:
Unausgesprochene Wut
Verdrängte Angst
Schuldgefühle oder Scham
Dauerhafte Selbstverleugnung
In dieser inneren Zerrissenheit erkennt der Körper Teile von sich selbst als "fremd". Er bekämpft, was er nicht mehr als integralen Teil des Selbst erlebt.
👩 Hashimotos als "Fallbeispiel"
Hashimotos wird schulmedizinisch als eine Schilddrüsenentzündung gesehen, eine Art Fehlverhalten des Immunsystems, das plötzlich beginnt die Schilddrüse anzugreifen.
Globale Schätzungen zeigen, dass etwa 5–10 % der erwachsenen Bevölkerung von Hashimoto betroffen sind. In einigen Regionen erreicht der Anteil Prozentwerte über 20 %, in anderen unter 0,5 %. Studien zeigen, dass Frauen 4 bis 9 mal häufiger betroffen sind als Männer. Das bedeutet, dass 17,5% aller Frauen weltweit unter Hashimotos leiden.
Wenn unterdrückte Wut, Schuld und Scham und Selbstverleugnung typische Themen sind, die mit AutoImmunerkrankungen in Verbindung gebracht werden, dann ist es schwer verwunderlich, dass gerade Frauen davon stärker betroffen sind als Männer. Hier schlägt das "Good Girl Syndrom", wie ich es nenne, voll zu Buche. Wir lernen schon früh, uns anzupassen, gut zu sein ... wir lernen, dass Liebe nicht bedingungslos ist, dass wir so und so sein müssen, um geliebt oder zumindest akzeptiert zu werden, was dazu führt, dass wir uns nicht sicher fühlen, unsere Wahrheit auszusprechen.
Wer schon früh lernt, dass "Nein" sagen nicht okay ist, dass "anders sein" bestraft wird und dass es besser ist, alles im Inneren zu unterdrücken, weil es sonst im Außen zu Konflikten führt, darf sich später nicht wundern, wenn es im Hals brennt (sinnbildlich für Entzündung) oder der Hals zugeht (Knoten/Goiter) oder das Wort im Hals stecken bleibt, wenn man gefordert ist, für sich einzustehen.
In den Kreisen von TraumaArbeit ist Hashimotos zusammen mit Fybromyalgie als eine häufige Symptomatik bei Frauen bekannt, die frühkindliches Trauma und/oder narzisstischen Missbrauch erlebt haben.
Bemerkenswert hierzu, dass eine im Jahr 2022 durchgeführte Meta-Studie fand, dass Frauen in niedrigen bis mittleren Einkommensklassen ein wesentlich höheres Risiko haben, Hashimotos zu entwickeln, als Frauen aus den einkommensstärkeren Bevölkerungsschichten.
Bei Hashimotos, aber sicher auch generell bei AutoImmunerkrankungen spielen Sorgen und Ängste um das Thema finanzielle Sicherheit und das Gefühl von "versorgt sein" eine Rolle.
🌿 Funktionieren statt Fühlen: Die stille Entfremdung
Viele Betroffene berichten, dass ihre Symptome sich nach Jahren des "Funktionierens" einstellten:
beruflicher Druck
emotionale Überforderung
plötzlicher Verlust
innere Leere
Die Eltern oder Schwiegereltern gepflegt bis zu deren Tod? Die ganze Familie versorgt und die halbe Welt noch mit gerettet? In der Firma für alle mitgedacht und trotzdem unterbezahlt? Für Kunden oder Klienten jahrelang alles gegeben und wenig Wertschätzung erfahren? Auch wenn die Ursache hierfür meist in frühkindlichen Traumata oder Prägungen liegt, so stellen sich die Auswirkungen doch oft erst nach Jahrzehnten ein.
Dann sagt der Körper irgendwann: "Es reicht. So nicht mehr." Die Entzündung wird zur Sprache, die jahrelang unterdrückt wurde. Der Körper beginnt, zum Ausdruck zu bringen, was die Psyche viel zu lange (ver)schwiegen hat.
✨ Heilung beginnt mit Sicherheit
Die klassische Medizin begegnet Autoimmunität oft mit Immunsuppressiva – und ignoriert dabei den Ursprung. Doch was unterdrückt wird, kann nicht heilen. Der ganzheitliche Ansatz verfolgt sicherlich verschiedene Wege, wie z.B. Entzündungsmodulation, Nährstoffe, Darm- und Leberheilung, doch was mindestens genauso wichtig ist, ist der Ansatz aus der TraumaArbeit, dem eine einzige absolute Wahrheit zugrunde liegt, die ich seit einem Jahr immer wieder predige:
Ein Körper unter Stress (Überlebensmodus) kann nicht heilen.
❣️ Wirkliche Heilung beginnt, wenn der Körper sich sicher genug fühlt und das Nervensystem sich entspannt und die Amygdala verlernt hat, ständig Alarm zu schlagen. Das trifft auf jede Dysbalance im System zu, jedoch umso stärker bei AutoImmunzuständen.
Somit ist der wichtigste erste Schritt, der jedem therapeutischen Plan vorhergehen sollte, die Regulierung des Nervensystems.
Fazit: Dein Körper ist kein Feind
Autoimmunerkrankungen sind kein "Angriff des Körpers gegen sich selbst". Sie sind Ausdruck eines Systems, das so lange nicht gehört wurde, dass es beginnt, lauter zu werden.
Was du als Krankheit erlebst, ist vielleicht der intelligenteste Ausdruck deines Körpers, dich zu retten.
Wenn du aufhörst zu funktionieren und zu kämpfen und beginnst nach Innen zu lauschen dann beginnt Heilung (und gleichzeitig auch Regulierung).
Quellen (Auswahl):
Miller, G.E. et al. (2011). "Inflammation and its discontents: The role of cytokines in the pathophysiology of major depression."
Dhabhar, F.S. (2009). "Enhancing versus suppressive effects of stress on immune function."
Danese, A. et al. (2007). "Childhood maltreatment predicts adult inflammation in a life-course study."
Porges, S. (1994). "Orienting in a defensive world: Mammalian modifications of our evolutionary heritage."