Von der Vaterwunde - Wenn Sicherheit, Schutz und Rückhalt fehlen

11.06.2025

Was ist die Vaterwunde? 

Die Qualität der frühen Beziehungen zu unseren Bezugspersonen - besonders dem Vater - formen unser Gehirn und Nervensystem und sie prägen uns maßgeblich in Bereichen wie Stressregulation, Bindung und emotionale Widerstandsfähigkeit.

Der Vater ist die erste männliche Energie, die wir treffen, wenn wir auf dieser Ebene ankommen. Es ist die Kraft im DaSein eines Kindes, die für die primären KernBedürfnisse verantwortlich ist:

🕊 Schutz und Stärke.
💬 Emotionale Begleitung.
❤️ Unbedingte Liebe – jenseits von Leistung.

Werden diese grundlegenden Bedürfnisse im frühen Leben eines Kindes nicht erfüllt, entsteht eine Vaterwunde. Diese Wunde kann tiefgreifende Folgen für uns haben, die sich oft erst später im Leben durch subtile Muster in unserem Verhalten zeigen. In dieser Serie werden wir in kurzen und prägnanten Posts die Vaterwunde und ihre Auswirkungen auf unser Leben als Erwachsene erkunden, um uns selbst und unsere Reise durch diese Ebene hier besser zu verstehen. 

Wichtig: ✨ Wenn ich von "Vater" spreche, meine ich damit nicht nur den biologischen Vater – sondern jede prägende männliche Bezugsperson, die Verantwortung für dich trug oder tragen sollte.

Der "Vater unser" prägt unsere Beziehung zum Männlichen

🤲 Die Vaterfigur prägt unsere Beziehung zum Männlichen - im Außen und Innen
Die Vaterwunde kann sich formen, wenn der Vater oder die männliche Bezugsperson

  • Gefühlsmäßig nicht verfügbar ist (kalt, distanziert, abweisend,
  • oder zurückgezogen),
  • Unberechenbar oder unsicher ist (wütend, kritisch oder anfällig für Wutausbrüche), oder
  • Übermäßig kontrollierend ist.
  • Wenn Zuneigung und Anerkennung an Bedingungen (Gehorsam, Leistung, Erfolg, etc.) geknüpft sind.
  • Wenn der Vater körperlich anwesend, aber emotional abwesend ist, und unfähig zu ermutigen, zu trösten, zu verbinden, zu lehren, zu begleiten, uvm. 


In der Tiefe steht die männliche Energie für das, was uns im Innersten vermittelt:
"Ich trage dich. Ich leite dich. Ich beschütze dich – und ich vertraue dir."

Und wenn diese Kraft fehlt oder verzerrt war, entsteht oft ein tiefer Mangel an Vertrauen, Halt und innerer Sicherheit. 

Dann fühlen wir uns oft
- ängstlich gegenüber Autoritätspersonen oder Männern, und/oder
- unwürdig, selbst wenn wir Großes erreicht haben.

Oder wir haben eine tiefe Angst, verlassen, zurückgewiesen oder verraten zu werden, und sind unfähig, anderen vollständig zu vertrauen oder uns ihnen emotional zu öffnen.

🙏 Nicht umsonst beten wir das "Vater unser", wird der Schöpfergott als "Vater" tituliert, weil es die beschützende, starke Urkraft ist, die unserem Leben hier Sicherheit und Halt gibt. Die männliche Bezugsperson ist auf dieser Ebene der erste Vertreter dieser Kraft ...
 
Frage dich: Wie habe ich meinen Vater oder meine männliche Bezugsperson erlebt? Welche Sichtweise auf das Männliche oder Männer hat sich für mich dadurch geformt?

Und ✨ wie hat dies möglicherweise meine Beziehung zum Allmächtigen Schöpfer geprägt?

Was hat deine Vaterfigur mit deinem Nervensystem und deiner Wut zu tun? 

Die männliche Energie, die Vaterfigur im Leben eines Kindes, steht für Schutz, Klarheit, emotionale Begleitung und bedingungslose Anerkennung – aber vor allem für eines: SiCHERHEiT 

🤲 Hier trifft das Thema Nervensystem auf die Vaterwunde.
Denn unsere Fähigkeit, heute mit Stress, Grenzen und Konflikten umzugehen, hat viel damit zu tun, wie wir als Kind den Ausdruck von männlicher Kraft erlebt haben.

War die Vaterfigur präsent und durchsetzungsfähig?
Oder schwach, abwesend, vielleicht manipuliert von anderen Kräften im Familiensystem (z. B. der Mutter)?
Und ganz besonders: Wie wurde mit Wut umgegangen?

Wut ist eine zutiefst menschliche, sogar heilige Energie.
Sie schützt. Sie grenzt ab. Sie zeigt, was nicht in Ordnung ist.

Doch wie diese Wut in der männlichen Bezugsperson gelebt wurde, prägt uns tief:

🔸 Explosiv & unkontrolliert?
Dann wurde Wut zur Bedrohung – und das Kind lernte, sich zu ducken oder innerlich zu fliehen. Grenzen wurden mit Angst verknüpft.

🔸 Unterdrückt & passiv aggressiv?
Dann war kein Schutz da – das Kind musste sich selbst regulieren, sich anpassen, Verantwortung übernehmen, wo eigentlich Halt gebraucht worden wäre.

🔸 Gesund & stark?
Dann konnte das Kind lernen: Konflikt bedeutet nicht Gefahr. Ich bin sicher. Ich darf mich zeigen und auch das ist gut.

So wie es uns gezeigt wurde, so verinnerlichen wir es als Beziehung zu unserer eigenen Wut und leben es selbst. Die meisten von uns entwickeln eine unstete Beziehung zu unserer eigenen Wut, besonders die Weiber. Oft wird diese unterdrückt, weggepackt, weil es sich nicht sicher anfühlt, sie zu fühlen oder gar zum Ausdruck zu bringen und wir müssen es uns selbst beibringen, für uns einzustehen. 

Frage dich: Wie war deine männliche Bezugsperson? Wie gehst du mit Wut um - kannst du leicht und gesund für dich selbst einstehen? 

Zur Erinnerung: Gesundes Durchsetzungsvermögen wird aus der inneren Klarheit und Kraft geboren, nicht aus Wut. Wenn wir also aus dem Frust heraus auf eine Situation reagieren, dann ist das nicht wahre Stärke - sondern eine Form von Dysregulation.

Opferhaltung ist eine erlernte Verkabelung im Gehirn

Zurück zu dem Punkt, wo Nervensystem auf die Vaterwunde trifft. Wenn wir diese ursprüngliche Sicherheit, die das Bedürfnis jedes kleinen Menschenwesens ist, nicht erfahren, fühlt sich unser Körper im Leben auf dieser Ebene nicht sicher. 

Lies das nochmal. 

👉 Wenn dir deine männliche Bezugsperson früher keine Sicherheit gegeben hat, fühlst du dich möglicherweise bis heute in diesem Leben nicht sicher.

Erfahren wir diese Sicherheit in der Kindheit nicht, reagiert unser Nervensystem schon dort - und zwar meist mit Freeze oder Shutdown, denn Kampf und Flucht sind keine Option. 

Besonders wenn unkontrollierte Emotionen in unserem Umfeld schwirrten, ziehen uns zusammen, so als ob wir uns gegen den Einschlag wappnen müssen. Die Schultern gegen die Ohren hin, der Brustkorb wird starr, die Atmung flach, der Kopf eingezogen. Alle Muskeln und Faszien im Rumpf ziehen sich zusammen, krampfen, denn sie wollen unser Inneres schützen - besonders das Herz. 

Wir formen ein Schutzschild, einen Panzer, werden taub, gehen in Shutdown… das System übernimmt den Überlebensmodus als den Standard. So lernt das Nervensystem schon früh, dass wir hier nicht sicher sind - die Folge ist chronische Dysregulation deren Folgen sich meist erst später im Leben zeigen. 

Aus diesem Zustand heraus werden wir erwachsen und gehen durchs Leben mit einer überaktiven Amygdala (Gefahrenmelder) und verbringen mehr Zeit im limbischen Gehirn (Emotionen) mit einer wenig aktivierten prefrontalen Kortex (Logik) oder umgekehrt - wir verstecken uns hinter Rationale und Logik (Neokortex) und ignorieren und unterdrücken Emotionen. Oder wir fluktuieren zwischen beiden. 

So werden wir
- hyperunabhängig oder
- neigen zu Co-Abhängigkeiten und People Pleasing.Daher kommen Perfektionismus, Versagensangst, Angst vor emotionaler Nähe, die Tendenz, unsere Gefühle zu unterdrücken, allgemein ein geringes Selbstwertgefühl, eine geringe emotionale Belastbarkeit. 

Und dieser Zustand von konstanter Hypervigilanz (Alarmbereitschaft) kann subtil permanent im Hintergrund laufen und den Menschen in einer Art "erlerntem Opfermodus" halten - weil das Gehirn eben in frühester Kindheit schon so verkabelt wurde.

Die Vaterwunde in Töchtern und Söhnen

So zeigt sich die Vaterwunde später in uns ... und wir denken, das sei nun mal unser "Charakter" oder unsere "Persönlichkeit"

🌙 Die Tochter mit der Vaterwunde
Sie ist die Frau, die früh gelernt hat, lieb zu sein – angepasst, freundlich, funktionierend. Sie hat People Pleasing gemeistert, weil es für sie die einzige Art und Weise der Existenz war, die Sicherheit gewährte. Sie ist die Frau, die spürt, dass sie irgendwie zu viel oder nie ganz genug ist. Die Frau, die sich in Beziehungen oft verliert, weil sie so sehr gefallen will – selbst wenn es auf ihre eigenen Grenzen geht. Sie sucht Anerkennung, vor allem von Männern, und fühlt sich doch nie wirklich sicher in deren Nähe.

Diese Frau trägt ein tiefes, unausgesprochenes Misstrauen in sich – und gleichzeitig eine tiefe Sehnsucht, endlich gesehen, gehalten und gewählt zu werden. Sie ist stark, aber oft erschöpft. Erfolgreich, aber innerlich leer. Nach außen wirkt sie selbstbewusst – doch in ihr lebt ein kleines Mädchen, das noch immer wartet, dass ihr Vater sie liebevoll anschaut und sagt: "Du bist genau richtig."

In ihrem Körper zeigt sich diese Wunde durch chronische Anspannung, Erstarrung, Erschöpfung. Sie funktioniert, aber tief zu fühlen stellt eine Bedrohung dar, und hat instinktiv Angst, sich in tiefen Emotionen verlieren zu können. In Momenten von Nähe friert sie ein, zieht sich innerlich zurück – ohne es zu wollen. Ihr Nervensystem kennt Sicherheit nicht. Nur Anpassung. Doch tief in ihr lebt eine ungelebte weibliche Kraft, die sich danach sehnt, endlich Raum zu bekommen.

Ohne Heilung stauen sich unweigerlich Frust, Wut, Verzweiflung und Ohnmacht in ihrem System. Der Körper zeigt es ... die Leber, die Galle, der Magen, Verdauung und Stoffwechsel. Und die Hormone, die Ausdruck ihrer Weiblichkeit sind, geraten aus der Balance (Cortisol/StressAchse). Was bleibt ist oft die verzweifelte Sehnsucht nach einer männlichen Kraft, die es ihr erlaubt, ihre Weiblichkeit und Sensibilität zu leben während sie sich behütet und sicher fühlen kann.

☀️ Der Sohn mit der Vaterwunde
Er ist der Mann, der für alle da ist. Der verlässlich funktioniert, sich anstrengt, niemals aufgibt. Der Mann, der Verantwortung trägt, stark ist, kontrolliert – aber tief in sich das Gefühl trägt, nicht gut genug zu sein. Er hat früh gelernt, dass Liebe an Leistung geknüpft ist. Dass Gefühle schwach machen. Dass Bedürfnisse zu haben gefährlich ist. 

Dieser Mann kompensiert mit Tun: mit Arbeit, Erfolg, Sport, Disziplin, Intellekt. Er fühlt sich dann sicher, wenn er es "richtig macht" und äußerlich sichtbaren Beweis dafür erhält (Geld, Erfolg, öffentliche Anerkennung). Doch in Momenten der Stille spürt er: etwas fehlt. Eine Weichheit. Eine Nähe zu sich selbst. Eine tiefe Erlaubnis, einfach zu sein – ohne Rolle, ohne Aufgabe.

In seinem Körper lebt eine dauerhafte Spannung. Ein Kampfmodus. Vielleicht ein verkrampfter Kiefer, verspannte Schultern, ein flacher Atem. Nähe macht ihn nervös. Emotionen anderer überfordern ihn – oder lösen Rückzug aus. Und wenn er scheitert oder kritisiert wird, zieht sich sein System zurück: in Scham, in Starre, in Isolation. Er flüchtet sich in den Kopf, ins Rationale und projiziert nach Außen, was er innerlich als tiefen Konflikt durchlebt. 

Doch hinter all dem lebt ein Mann, der sich nach Wahrhaftigkeit sehnt. Nach einem Platz, an dem er nicht leisten muss. An dem er nicht beweisen muss, dass er genug ist – weil er das längst ist, und einfach sein darf.

💔 Wenn Wunde auf Wunde trifft

Wenn zwei Partner aufeinandertreffen, deren Vaterwunde ungelöst ist, wird es schwierig ... das nachfolgende Szenario kann natürlich auf jede Form von Beziehung umgelegt werden. Ich habe es gewählt, weil es meiner persönlichen Erfahrung entspricht. 

Sie – die Frau mit der Vaterwunde – sehnt sich danach, gehalten zu werden, gespiegelt, gesehen. Doch wenn er emotional nicht verfügbar ist oder sich zurückzieht, aktiviert es in ihr das alte Gefühl: "Ich bin wieder nicht gewählt worden." Sie wird klammern oder sich noch stärker anpassen – und gleichzeitig innerlich verhärten. Sie beginnt zu kontrollieren, zu analysieren, zu interpretieren – nicht aus Dominanz, sondern aus Verlassenheitsangst.

Er – der Mann mit der Vaterwunde – will eigentlich richtig machen. Er bemüht sich, sorgt, trägt Verantwortung. Doch ihre emotionale Tiefe, ihr Wunsch nach Verbindung, ihre intensive Präsenz überfordern ihn – denn sie erinnern ihn an all die Gefühle, die er sich selbst verboten hat.

Er zieht sich zurück, wird still, weicht aus – nicht aus Kälte, sondern aus Überforderung. Und wenn sie ihn kritisiert (aus Schmerz), trifft es direkt sein Gefühl von Unzulänglichkeit.

So entsteht ein Kreislauf:
Sie will mehr Nähe → er fühlt sich unter Druck → er zieht sich zurück → sie fühlt sich verlassen → sie drückt noch mehr → er schließt sich weiter.

Beide fühlen sich unverstanden – und doch wollen beide dasselbe. Und hier gelangen wir an den menschlichsten Punkt überhaupt, denn ... 

♥️ ✨ WIR WOLLEN ALLE NUR GELIEBT WERDEN ✨♥️