Das unsichtbare Netz in dir: Faszien & Trauma - Eine Beziehung mit Tiefgang

Faszien sind in den letzten Jahren scheinbar aus der Versenkung heraus immer mehr ins Rampenlicht gerückt. Früher galten sie nur als "Hüllgewebe" ohne größere Bedeutung.
Heute wissen wir, dass Faszien ein unglaublich wichtiges Netzwerk im Körper darstellen - vermutlich sogar DAS wichtigste KommunikationsNetz in unserem Körper überhaupt, weil so enorm viel damit zusammenhängt.
Faszien geben Form und halten uns buchstäblich zusammen, indem sie die inneren Organe umspannen, sie übertragen Kräfte – und sie sind eng mit unserem Nervensystem verbunden. Wer die Rolle der Faszien versteht, versteht auch besser, warum Trauma so tief in den Körper einschreibt.
Was genau sind Faszien?
Faszien sind feine Bindegewebsstrukturen, die unseren Körper wie ein Netz durchziehen. Sie bestehen hauptsächlich aus Kollagen, Elastin und sehr viel Wasser. Letzteres hat mich persönlich sehr überrascht, doch gleichzeitig hat es viel erklärt. Durch diese Zusammensetzung sind sie nicht nur stabil, sondern auch flexibel und leitfähig. Faszien wirken außerdem wie biologische Leiter: Kollagen und Wasser können elektrische Signale übertragen und machen das Gewebe zu einem wichtigen Teil der bioelektrischen Kommunikation im Körper.
Dazu kommen wir später noch ...
Sehr spannend ist: In den Faszien sitzen extrem viele Nervenenden – sogar mehr als in den Muskeln. Das heißt, Faszien sind ein hochsensibles Wahrnehmungsorgan! Sie registrieren Druck, Zug, Temperatur und Schmerz und melden diese Informationen direkt an das Nervensystem.
Trauma im Körper – warum Faszien so wichtig sind
Ein Trauma entsteht, wenn wir in einer Situation überfordert sind und unser Körper keine Möglichkeit hat, die emotionale Stressreaktion zu entladen. Der Körper spannt sich an, Muskeln und Faszien ziehen sich zusammen – das ist zunächst ein Schutzmechanismus des Körpers. An anderer Stelle habe ich ausführlich beschrieben, wie der Ablauf zwischen Nervensystem und Gehirn ist in dieser Situation. Wichtig ist hier, zu verstehen, dass der Körper in einen Zustand von extremer Anspannung geht, um sich gegen einen möglichen Angriff zu wappnen. Wenn dieser Zustand aber nicht wieder gelöst wird, weil der Angriff ausbleibt, bleibt die Spannung im Gewebe "hängen".
Geschieht das oft oder sogar dauerhaft, weil das Nervensystem dauerhaft im Überlebensmodus einfriert, verlieren die Faszien ihre Elastizität und trocknen aus. Das Gewebe fühlt sich zäh und starr an, oft verbunden mit Schmerzen in Muskeln und Gelenken oder einem Gefühl von innerer Starre. Das ist der Grund, warum viele Menschen, deren Nervensystem dysreguliert, bzw. in einer Traumaantwort gefangen ist, von chronischen Verspannungen, Druckgefühlen, eingeschränkter Beweglichkeit berichten.
Der Teufelskreis von Trauma, Faszien und Nervensystem
Die Verbindung ist wechselseitig:
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Ein Trauma aktiviert den Überlebensmodus (Kampf, Flucht oder Erstarrung).
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Faszien ziehen sich schützend zusammen.
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Diese Spannung sendet Gefahrensignale ans Nervensystem.
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Das Nervensystem bleibt im Alarmzustand – was die Spannung in den Faszien weiter verstärkt.
So entsteht ein Kreislauf: Trauma → Faszienverspannung → Nervensystem-Alarm → noch mehr Spannung. Wer einmal hineingeraten ist, spürt, wie schwer es ist, da wieder herauszukommen. Mir ist wichtig, hier kurz anzudeuten, dass dies eine vereinfachte Erklärung des Ablaufs dessen ist, wie eine Traumaantwort in unserem Körper entsteht. Hier spielen Gehirn (HPA-Achse), unsere Gedanken (ja, kein Witz) und Trigger bei bestehendem Trauma - also Re-Traumatisierungen - ebenfalls eine Rolle. Und dann gibt es ja noch ...
Den Vagusnerv – der Schlüssel zur Entspannung
Eine besondere Rolle in diesem Verbund spielt der Vagusnerv. Er ist Teil des Parasympathikus und damit zuständig für Ruhe, Verdauung und Regeneration.
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Wenn Faszien verhärtet sind, senden sie Gefahrensignale, die den Vagus blockieren.
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Ein blockierter Vagus wiederum hält den Körper im Alarm oder in der Starre.
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Umgekehrt: Wenn der Vagus aktiviert wird (z. B. durch Atemübungen), gibt er das Signal "Sicherheit", und die Faszien können sich entspannen.
Faszien und Vagus sind also wie zwei Seiten derselben Medaille. Ohne die Entspannung des einen wird auch der andere nicht frei.
Doch Vorsicht: Das bedeutet nicht, dass sich gespeichertes Trauma automatisch auflöst, sobald der Vagus stimuliert wird. Viele Menschen machen die Erfahrung, dass trotz Atemübungen oder Entspannungstechniken alte Spannungen und Symptome bestehen bleiben. Das liegt daran, dass Trauma nicht nur im Gewebe sitzt, sondern auch emotionale und psychische Ebenen umfasst.
Gleichzeitig ist dies der Grund, warum z.B. das Üben mit Faszienrollen oder sogar Faszienmassagen nicht immer den gewünschten Effekt bringen. Im Gegenteil. Wenn alte Emotionen tief in den Faszien abgespeichert sind, diese jedoch nur an der Oberfläche stimuliert werden, kann es sein, dass sie nach den Übungen noch stärker zumachen, weil ihre Bestrebung ist, die alten Emotionen fest zu halten, um das Nervensystem zu schützen. Denn schließlich hatte es vorher schon einmal signalisiert dass das Fühlen dieser Emotionenn überfordernd wirkt.
Heilung ist vielschichtig - auch mit Faszienarbeit
Um Traumaspuren in den Faszien wirklich zu lösen, braucht es meist ein Zusammenspiel verschiedener Ebenen:
Körperliche Ebene: Sanfte Bewegung, Schaukeln, leichtes Dehnen, Aktivierung des Lymphsystems bringen Flüssigkeit und Elastizität zurück ins Gewebe.
Nervensystem: Atemübungen, Summen oder Singen stimulieren den Vagus und schaffen erste Signale von Sicherheit.
Emotionale Ebene: Gefühle, die im Moment des Traumas unterdrückt wurden (z. B. Angst, Wut, Trauer), brauchen geschützten Raum, um sich nach und nach zu zeigen und verstoffwechselt zu werden.
Beziehungsebene: Trauma heilt selten allein. Eine sichere, mitfühlende Beziehung – ob in Therapie oder im privaten Umfeld – gibt dem Körper das Signal, dass es diesmal anders ist.
Heilung geschieht also nicht linear und nicht durch eine einzelne Technik. Es ist ein Prozess, bei dem Körper, Emotionen und Nervensystem Schritt für Schritt wieder in Einklang finden. Kleine, wiederholte Impulse sind wirkungsvoller als große Anstrengungen und vor allem für das Nervensystem sicherer, als geballte Entladungen. Mit Geduld erinnert sich der Körper daran, wie er Spannung lösen und zurück in den Fluss kommen kann.
Das ist zumindest der Ansatz der somatisch trauma-informierten Arbeit. Sanft, regulierend und mitfühlend mit Körper und dem eigenen Selbst stellen wir uns den alten Emotionen und helfen dem Körper sie zu verstoffwechseln, sodass die Faszien sich wieder entspannen können.
Was noch hilft
Tatsächlich ist aus meiner Sicht das wichtigste hier, dass sich aus diesem tiefen Wissen um die Rolle der Faszien zwei fundamentale Erkenntnisse für den Heilungsprozess ergeben:
1 - Wenn Faszien zu ca. 70% aus Wasser bestehen und durch Trauma austrocknen, dann brauchen sie ... : WASSER. Und nicht nur irgendein Wasser, sondern Wasser, das in seiner Struktur die Faszien auch hydrieren kann. Dabei handelt es sich ganz sicher nicht um Trinkwasser!
Faszien profitieren besonders von:
Strukturiertem Wasser: Wasser, das in Bewegung war (z. B. Quellwasser oder verwirbeltes Wasser), bindet sich besser ins Gewebe ein.
Regelmäßiger Zufuhr: Kleine Mengen über den Tag verteilt sind wirkungsvoller als wenige große Gläser.
Wenn das Gewebe gut hydriert ist, können Faszien geschmeidig bleiben, Spannungen besser lösen und auch therapeutische Impulse leichter aufnehmen.
2 - Faszien brauchen unbedingt Mineralien und Elektrolyte. Besonders wichtig sind Elektrolyte wie Natrium (z. B. aus hochwertigem Salz), Magnesium, Kalium und Calcium. Sie sorgen dafür, dass Wasser in die Zellen aufgenommen und nicht sofort wieder ausgeschieden wird. Auch Spurenelemente wie Zink und Silizium unterstützen die Faszienstruktur.
Faszien sind auch elektrische Leiter im Körper. Ihre Fähigkeit, Signale weiterzugeben, macht sie zu einem zentralen Bindeglied zwischen Bewegung, Nervensystem und bioelektrischer Kommunikation.
Ein gesunder Faszienfluss unterstützt also nicht nur die mechanische, sondern auch die elektrische Balance des Organismus.
Fazit mit persönlichem Touch
Faszien sind also kein nebensächliches Gewebe, sondern ein hochsensibles Sinnesorgan in uns, das eng mit unserem Nervensystem verknüpft ist. Trauma prägt sich tief in diesem Netzwerk ein, doch es ist nicht für immer dort gefangen. Es gibt mehrere Methoden, mit denen Trauma, bzw. Dauerspannung in den Faszien gelöst werden kann. Und hier möchte ich nochmals zur Vorsicht mahnen.
Gerade im Moment werden viele manuelle Methoden, Spannung aus den Faszien zu lösen angeboten, wie z.B. von HumanGarage und anderen. Diese Methoden sind sehr offensichtlich erst einmal schmerzhaft, was man deutlich in Beiträgen auf Social Media sehen kann. Auch wenn sie effektiv scheinen, so habe ich meine Bedenken, ob sie für Menschen mit tiefem Trauma in den Faszien wirklich dauerhaft effektiv sein können. Warum?
Weil ich aus eigener Erfahrung weiß, wie schnell das Nervensystem in den Überlebensmodus kippt, wenn es Schmerz erfährt - und das in einer Situation, die vermeintlich Heilung bringen soll. Für mich persönlich ist jegliche "Heilmethode", die in irgendeiner Form mein Nervensystem dazu veranlassen könnte, Gefahr zu signalisieren nicht mehr stimmig. Über meine gesamte Sportlerkarriere hinweg war ich bekannt dafür, dass ich "hart im nehmen" war - tiefe Faszienarbeit, um einen Muskelfaserriss zu "heilen" ist nur ein Beispiel, wie ich mein Nervensystem negativ programmierte - und heute die Folgen trage.
Mit dieser Erfahrung muss ich einfach sagen, dass alles, was hart, harsch, schmerzhaft ist für mich nicht in Frage kommt solange mein Nervensystem nicht absolut stabil und resilient ist. Ich halte mich an sanfte Methoden ... somatische Übungen, Berührung, Atmung, leichtes Dehnen. Aber natürlich muss das jede:r für sich wissen.
Zum Abschluss möchte ich dir noch einen Fakt vor die Füße legen ... Die 70% Wasseranteil im menschlichen Körper ist eine Größe, mit der gängigerweise argumentiert wird. Allerdings ist sie schon mehr als 30 Jahre alt. Heute ist bekannt, dass der durchschnittliche Erwachsene bei ca. 60 bis 65% Wasseranteil liegt. Auch wenn es noch keinen offiziellen Beleg für den Rückgang dieser Zahl gibt, deuten doch viele Anzeichen daraufhin, dass letztere Zahlen durchaus realistisch sind.
Wer hat schon vor 30 Jahren von Trauma in den Faszien gesprochen?
Nicht, weil es Faszien und das Wissen darum damals noch nicht gab ... vielmehr gibt es heute noch weitere Faktoren, die Faszien austrocken und belasten (unabhängig von Trauma).
Dazu gehören mineralstoffarmes Wasser, hoher Kaffee- und Alkoholkonsum, langes Sitzen, dauerhaft hohes Cortisol, EMFs durch WLAN, 5G, Handystrahlen, etc. Schlechte Ernährung durch zu viel Zucker, Transfette und dadurch entstehende stille Entzündungen, Schlafmangel, toxische Belastungen durch Schwermetalle, Pestizide, Glyphosat und Weichmacher und vieles mehr.
ZusammengefasstDie Faszien reagieren nicht nur auf Trauma, sondern auf jede Form von Stress für das Wasser- und Energiegleichgewicht im Körper. Alles, was Wasser entzieht oder die feine Ordnung des Wassers stört (Stress, EMFs, schlechte Ernährung, Toxine, Bewegungsmangel), wirkt wie ein "langsames Trauma" für das Gewebe.